Basti vs. Content-Industrie

Manchmal ärgere ich mich echt, welche Ausmaße manche Copyright-Manien so annehmen können:

Bereits vor einiger Zeit wurde unser Webprojekt Adventure-Treff.de mal über das Copyright-Infringement-Tool von Youtube abgemahnt. Es handelt sich dabei also nicht um einen einfachen Urheberrechts-Hinweis, sondern wirklich um ein Vorgehen des Rechteinhabers gegen uns. Der Grund: Wir hatten einen Trailer des kurz zuvor insolvent gegangenen Software-Publishers CDV online gestellt. CDV hatte den Werbetrailer zugespielt und wir haben ihn in unsere Trailer-Datenbank aufgenommen – wie all das andere Pressematerial halt auch, dass wir von Publishern erhalten. Der besagte Rechteinhaber, ein Komponist, hatte seine eigenen Rechte geltend gemacht. Auf Nachfrage erklärte man uns, dass CDV mit dem Komponisten keinen rechtskräftigen Vertrag geschlossen hätte und daher alle Rechte weiterhin bei ihm lägen.

Die Online-Rechte des Werbetrailers sollten 1.800 Euro kosten. Ein Hinweis und die Adresse der zuständigen Anwaltskanzlei für eine Abmahnung war gleich noch mit dabei. Wir hatten den Trailer umgehend entfernt. Viel ärgerlicher ist aber, dass unser Youtube-Konto mit immerhin mittlerweile über 780 Videos voller Trailer und vieler Videobeiträge und Videoreportagen natürlich umgehend von einem Profi-Account auf einen potentiellen Raubkopie-Account heruntergestuft wurde. Damit droht uns nicht nur die jederzeitige Löschung des Accounts mit all seinen Videos, wir haben jetzt auch mit einer stark eingeschränkten Funktionsvielfalt zu kämpfen.

Mir erschließt sich die Vorgehensweise einfach nicht. Man würde doch erwarten, dass der Komponist erst einmal gegen den Publisher vorgehen würde, der seine Rechnungen nicht zahlt, anstatt gegen unkommerzielle, kleine Webseiten, die von einem fehlenden Vertrag ja nun mal absolut nichts wissen können. Auf meine Nachfrage, warum der Trailer weiterhin auf Webseiten wie Gamestar oder PC Games zu finden ist, erhielt ich übrigens die Antwort, dass diese direkt beim Komponisten eingeholt worden seien (was mir bei dem Preis nur schwer glaubhaft scheint). Eine Mail schloß mit dem Satz: „Wer sich mit der medienrechtlichen Materie auskennt (und ich bin FH Dozent […]), weiß um die Gepflogenheiten.“

Aha.

Ich war längere Zeit Uni Dozent, habe rein zufällig soger Medienrecht als Nebenfach studiert und bin ausgebildeter Medien- und Kommunikationswissenschaftler, nebenbei noch Producer eines Games-Publishers, mache dort auch die Verträge und, achja: Games-Journalist bin auch noch. Ich kenne also die Gepflogenheiten im Games-Journalismus und bei den „Machern“ von Medienprodukten. Ich möchte die Journalisten sehen, die sich bei der Entnahme einer Presse-CD auf der gamescom tatsächlich prüfen, ob die Rechtefreiheit Dritter aller Assets vorliegt und sich diese dann bei Bedarf von jedem einzelnen Musiker, Grafiker oder Game Designer einholt. Jeder Journalismus wäre so umgehend im Keim erstickt. Das Vorgehen hat in meinen Augen nichts mit Gepflogenheiten zu tun sondern mit einer sehr kleinkrämerischen Sichtweise und (leider) einem Urheberrecht, das unserer heutigen Welt in keinster Weise gerecht wird.

Ich frage mich aber viel eher: Als ein Komponist, der selbst in der Branche tätig ist, würde man doch erwarten, dass wir alle an einem Strang ziehen. Wie kann diese Person erwarten, dass ich irgendjemanden meiner Arbeitskollegen noch diese Person ans Herz lege? Das pure Gegenteil ist der Fall. Ich werde jeden vor einer geschäftlichen Zusammenarbeit auf so einer Ebene warnen, von einem Feature auf Adventure-Treff.de ganz zu schweigen.

Vor kurzem war dann leider auch mein privater Youtube-Account mit einer Sperre dran und wird nun mit der potentiellen Löschung bedroht.

Erneut ging es um einen Trailer. Diesmal den vom Fantasy Filmfest 2007. Das Infringement wurde also fünf Jahre später zur Anzeige gebracht, was mich doch etwas überrascht hat. Auch hier habe ich wieder journalistisch vom Filmfest berichtet und den (wirklich spaßigen) Stop-Motion Trailer mit in die Berichterstattung gepackt. Zugegeben: Diesmal bin ich auch noch einer wirklichen Fehlinformation eines damals kursierenden mutmaßlichen Gerichtsurteils aufgesessen, dass Trailermaterial grundsätzlich als rechtefrei angesehen werden könnten, was eine einschlägige Zeitschrift (wohl aus journalistischer Überzeugng) berichtet hatte. Der Trailer selbst war (und ist) auf der Seite des Produzenten im Reel-Bereich als kostenloser Download zu finden. Um das Einbetten in den Artikel zu erleichtern hatte ich das Video dann über Google Video in einen Flash-Player gewandelt und eben darüber berichtet.

5 Jahre später nun also die Quittung für etwas, was man nur im Sinne der Macher getan hat, um sie einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Ob der Firma dabei wirklich ein so immenser Schaden entstanden ist, weil man nun nicht mehr den Quicktime-Film herunterladen muss sondern den Trailer im Stream ansehen konnte, bezweifle ich persönlich ja etwas. Heute freuen sich praktisch alle Firmen darüber, wenn ihr öffentliches Material bei Facebook von möglichst vielen geshared wird. Die scheinbar nicht.

Was aber beim Schaden sicher ist: Der Schaden für meinen Youtube-Account ist immens. Ich benötige z.B. für mein Projekt GipfelReisen.de eigentlich die Möglichkeit, meine eigenen Videos unter Creative Commons hochladen zu können. Genauso brauche ich dringend eine unlimitierte Videodauer bei Youtube. Bereits zwei Sachen, die mir Youtube bereits ersatzlos als Strafe aus meinem Konto gestrichen hat. Viele weitere Einschränkungen kommen dazu, so dass ich fast gezwungen bin, wieder ganz von vorne anzufangen und mir langsam erneut einen „positiven“ Youtube-Status aufzubauen.

Bitte nicht falsch verstehen:  Ich habe überhaupt nichts gegen DMCA- oder Infringement-Notices gegen wirkliche Raubkopie-Inhalte. Aber wenn das System dazu führt, dass Leute wie ich (der ja auch selbst Medien aller Art produziert) deswegen angezeigt werden, weil sie Showreel oder Trailermaterial anderer promoten möchten, dann stimmt hier in meinen Augen hinten und vorne was nicht. Da kann man noch so viel auf Paragraphen herumreiten, für mich hat das auch was mit sozialem Verhalten zu tun. Es besteht ja auch die Möglichkeit, mich mit einer Nachricht zu informieren und wie zivilisierte Menschen miteinander zu reden anstatt mir gleich die Strafen reinzudrücken.

Und ja, auch dieser Fall hat für mich Konsequenzen. Abgesehen davon, dass auch besagtes (und von mir ursprünglich verehrtes) Animations-Studio mit Sicherheit in Zukunft erst mal keine „Daumen-Hoch“-Empfehlungen mehr von mir in der Branche bekommt, muss ich mir auch stark überlegen, ob ich nochmal Lust habe, das Fantasy Filmfest (und damit den Klienten des Studios) zu besuchen, geschweige denn darüber zu berichten.  Ob das das Filmfest als Klient des Studios jetzt so gut findet, dass das Studio gegen die Berichterstatter des Filmfests vorgeht? Schade. Für mich war es sonst immer das Filmfest, nach dem ich später meine DVD-Kaufliste gestaltet habe, um den Umsatz der Medienindustrie anzukurbeln.

Tut mir leid Leute. Ich weiß, dass ich rechtlich unrecht habe. Aber ein Unrechtsbewusstsein habe ich bei dem Quatsch, der hier abgezogen wird, definitiv nicht mehr. Ich lege Euch einmal eine Runde Everything is a Remix: System Failure ans Herz!

(Grafik: Plenumchamber. Lizenziert unter GNU LGPL)

0 Gedanken zu “Basti vs. Content-Industrie”

  1. This sucks big time! Is schon komisch, dass die Industrie einerseits auf Teufel komm raus versucht, sich in die Social Media Plattformen zu quetschen und um Likes und Retweets und Shares für ihren Content bettelt, andererseits aber dann auch wieder diese Aktionen hervorbringt, wo mit dämlichen Klagen Reviews und Videos unterbunden werden, die eigentlich genau diese Rezeption gefördert hätten. Paradox! Und dass das dann auch noch auch noch weitreichendere Folgen hat wie die YouTube-Account-Herunterstufung ist noch ärgerlicher. Ich wünsch dir da genug Durchhaltevermögen, um zumindest ein paar Leuten mal ordentlich auf die Füße zu treten.

  2. Naja, ich wüsste garnicht mal, wie. Rechtlich sind die anderen auf der sicheren Seite. Ich kann also eigentlich nur auf Mundpropaganda setzen und darauf, dass deren Klienten es auch nicht gut finden, wie ihre Partner mit potentiellen Kunden umspringen. Aber wer weiß, vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder und die Infringement-Notices werden wieder zurück gezogen…

  3. Naja, ich wüsste garnicht mal, wie. Rechtlich sind die anderen auf der sicheren Seite. Ich kann also eigentlich nur auf Mundpropaganda setzen und darauf, dass deren Klienten es auch nicht gut finden, wie ihre Partner mit potentiellen Kunden umspringen. Aber wer weiß, vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder und die Infringement-Notices werden wieder zurück gezogen…

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