Die Tür

Eigentlich glaubt man bei Zeitreisefilmen ja, alles schon mal irgendwie gesehen zu haben. Klar, das Spiel mit dem „Was-wäre-wenn“- und Schmetterlings-Effekt und Späße mit Zeitparadoxien unterhalten uns bereits seit H.G. Wells „Die Zeitmaschine“ und sind irgendwie, nunja, zeitlos. Wirklich was Neues hält das Thema aber doch eigentlich nicht bereit, möchte man glauben. Nicht ganz so in Anno Sauls „Die Tür“, nach einer Idee des Romans „Die Damalstür“ von Akif Pirinçci.

Im Film schreitet David (Mads Mikkelsen) durch eine mysteriöse Tür 5 Jahre in die Vergangenheit zurück – nur einige Minuten bevor seine Tochter Leonie (Valeria Eisenbart) durch einen tödlichen Unfall das Zeitliche segnen wird. David bekommt die Möglichkeit, sein Vergehen von damals wieder gut zu machen und rettet seine Tochter. Doch für welchen Preis?

Die Tür spielt in keinster Weise mit Zeitparadoxien und -mythen a la Butterfly Effekt. Der Film interessiert sich viel mehr für die Charaktere und die moralische Komponente der Entscheidung: Als erstes bringt David sein jüngeres Ich um – und das ganz ohne verblassende Selbstauflösung eines Marty McFly aus Zurück in Zukunft. Es ist die Zerstörung seines unfähigen Ichs, dass er hasst. Es ist ein symbolischer Akt für einen Neuanfang. Und doch geistert David wie ein Toter durch diese neue, alte Welt. Dass die restlichen Darsteller, darunter Davids Ehefrau (Jessica Schwarz) alles deutsche Schauspieler sind, verstärkt die Distanz zum dänischen Mikkelsen sogar noch. „Die Tür“ bewertet die Handlungen seiner Darsteller kaum und wirkt damit umso beklemmender. Hier ist der Neuanfang keine wirkliche Chance sondern geprägt von dissonnanter Trostlosigkeit, dem Zwang zum Töten um selbst ein besserer Mensch zu werden. Dem Zuschauer wird bis zum Ende nicht so wirklich klar, ob der gutgemeinte Vorsatz von David, jetzt ein besserer Mensch zu sein, für den Preis der Lüge und des Mordes an sich selbst nun gerechtfertig ist, oder nicht. Am meisten drückt dies die Rolle der Tochter Leonie aus, übrigens fabelhaft portraitiert von Valeria Eisenbart, die sogar Mikkelsens eher durchschnittliche Leistung an die Wand spielt. Hin und her geworfen zwischen ihrem Vater als ertappter Mörder oder wundersamer Schutzengel. Am Ende zieht das eher beziehungsdramatisch aufgezogene und teilweise etwas kammerspielartig in einer beliebigen deutschen Vorstadt inszenierte Stück noch einmal kräftig an – denn David ist nicht der einzige, der durch die Tür in die Vergangenheit marschiert ist. Schon bald ist nicht mehr so ganz klar, wer nun genau wahrer Mensch oder zeitreisender Übermensch ist. Saul charakterisiert sie am Ende auf alle Fälle als irgendwie gebrochene Figuren, ohne am Schluß eine konsequente Aussage über die ethische Relevanz zur Schmetterlingsfrage zu geben. Der Ausgang des Finale wirkt dabei geradezu schicksalsartig, zufällig – und genau das lässt den Film einen Interpretationsspielraum, der letztlich seine Stärke ist.

Ich finde: Toll! Ich hab eine Beziehungskiste mit kleiner Zeitreise erwartet und wurde doch positiv überrascht! Zeitreisen ohne Popcorn-Effekt, aber dafür zum Nachdenken. Spannend, stimmungsvoll, düster und mit wenigen Worten drückt der Film eine Atmosphäre aus, die man in diesem Genre bislang nicht gesehen hat. Allem voran eine wirklich geniale Valeria Eisenbart, die als 10-jährige Darstellerin für mich die Kernaussage des Films tragen muss – und mit Bravour meistert. Lediglich das sehr TV-Film-artige Setting hätte beim Dreh etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.

0 Gedanken zu “Die Tür”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert