Medienkompetenz in der Coronakrise

Immer wieder lese ich auf Twitter, dass es gar keine höhere Todesraten gebe. Viele behaupten, die Toten seien gar nicht bekannt – man höre davon schließlich gar nichts.

Also ich weiß gar nicht genau, wo da eigentlich das Problem liegt. Data Mining Möglichkeiten liegen jedem offen. Ich würde für die Prüfung des Anstiegs der Sterblichkeit in Norditalien da als erste Idee einfach mal Sterbeanzeigen verfolgen.

Libertá ist z.B. das Lokalblatt der 100.000 Einwohnerstadt Piacenza und sie veröffentlichen die Todesanzeigen online. Damit hat man eine gute Datenbasis aus Vergangenheit und Zukunft. Normal sind das so im Schnitt 15 bis 25 Todesanzeigen täglich (genauen Mittelwert hab ich jetzt nicht berechnet, könnte man aber natürlich mal crawlen).

Seit der Coronakrise sind es aber durchschnittlich ca. 60 bis 80 Todesfälle pro Tag (Link). Das kann jeder schnell sehen, der mal die aktuellen Tage mit dem Vorjahr vergleicht. Den Anstieg kann man als signifikant bezeichnen – wem das nicht auffällt, der ist echt blind.

Um sicher zu gehen, dass es sich um keine Fakes handelt (das könnten einige Verschwörungstheoretiker ja behaupten) habe ich die Toten ebenfalls stichprobenartig mal gegoogled, denn die Zeitung veröffentlicht die vollen Namen. Was soll ich sagen: Man kann ihre Anschriften, Geschäfte und Lebensläufe dort durchaus finden.

Also ich verstehe echt nicht, wie irgendjemand da behaupten kann, die Sache in Italien finde gar nicht statt. Man braucht noch nicht mal Freunde in Italien haben, um sich einen Wahrscheinlichkeitskoeffizienten für den Wahrhaltsgehalt der aus dieser Region kommenden Berichtserstattung zu überlegen. Wer nicht bereit ist, das zu glauben, kann genauso gut an die Existenz eines Osterhasens glauben – ich stelle mal die steile Hypothese in den Raum, dass das gleich wahrscheinlich sein dürfte.

Ich verstehe echt nicht, warum sich ein extrem großer Prozentsatz von Nachrichtenlesern scheinbar nie vorher auf Quellenrecherche begibt. Das sollte doch eigentlich zum mindesten gehören, bevor man mit einer festgefahrenen Ansicht in den sozialen Medien hausieren geht… :-/

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