Marc Dutroux und rituelle Gewalt

Vor kurzem habe ich im „Gehirn“-Podcast von Chaos Radio Express die Aussage gehört, dass Therapeuten bei der Befragung von mißbrauchten Kindern durch Suggestivfragen wahrscheinlich erst die Erinnerung an spezifische Kindesmißbrauch-Details in das Gehirn „pflanzen“ und damit Aussagen zu dem Thema unbrauchbar machen. Das fand ich eine sehr gefährliche Hypothese, weil Opfer von Kindesmißbrauch ohnehin schon mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen haben.

Besonders schwer haben es dabei wohl die Opfer ritueller Gewalt, die häufig als komplette Spinner abgestraft werden. Eine abschließende Meinung dazu habe ich nicht. Aber anlässlich der jüngsten Meldungen über den Kinderschänder Marc Dutroux und seiner Frau habe ich mich in den letzten Tagen wieder mit dem Thema beschäftigt. Der Fall Dutroux ist für mich hier fast schon eine Art Katharsis, weil bei diesem Ereignis die komplette Bevölkerung zumindest einem gewissen Teilaspekt der Sache ins Gesicht blicken musste. Ein Leugnung der Taten war nicht mehr möglich. Und gleichzeitig sieht ein Blinder mit dem Krükstock, wie mit viel Macht (und leider wohl auch Politik), versucht wird den Status-Quo des Wegschauens wieder herzustellen (oder mittels Internetsperren den Fokus auf den Konsumenten und nicht die Hersteller zu lenken). Diese Erkenntnis ist in meinen Augen mit Sicherheit das Unheimlichste am ganzen Spektrum „Kindesmißbrauch“.

Wer nun gar nicht (mehr) weiß, um was es bei dem Fall Dutroux geht, dem lege ich das googlen nach diesen Dokumentationen wärmstens ans Herz:

  1. Der Fall Dutroux. Eine Dokumentation vom WDR. Empfehlung für jeden, der sich mit Marc Dutroux noch nicht auskennt oder sich nochmal kurz sein Gedächtnis auffrischen möchte. Die Dokumentation ist nicht aktuell, aber sie bereitet die wichtigsten Schritte bis zum späteren Prozessverlauf nochmal auf.
  2. Marc Dutroux und die toten Zeugen. Eine der meiner Meinung nach schockierndsten Detailberichte über Dutroux, die mich erst auf das Thema aufmerksam gemacht hat. Ich möchte einfach garnichts vorweg nehmen. Einfach anschauen.
  3. Dutroux und der Fall N. Eine ZDF-Dokumentation unter dem History-Label. Die Sache ist deswegen spannend, weil hier der Mitangeklagte und mysteriöse Geschäftsmann Michel Nihoul dem Sender ein Interview gibt.

Natürlich gibt es zahlreiche weiterführende Dokumentationen, die ein mögliches Netzwerk der Kinderschänder rund um Marc Dutroux auch über die belgische Grenze hinaus nahelegen und auch immer wieder den Sprung zur rituellen Gewalt wagen. In Reportagen dazu finden sich versteckt immer wieder Hinweise, die den Zusammenschluß verschiedener Länder nahelegen. Als Beispiel empfehle ich hier auch noch die Suche nach der Dokumentation Ritueller Missbrauch in Frankreich, die mal auf N24 lief und bei der, fast nebenbei, ein mutmaßlicher Zusammenhang zu Belgien aufgedeckt wird (auf Sat.1 gab es meines Wissens nach eine ähnliche Ausgabe des Materials, aber im anderen Zusammenschnitt).

Natürlich gab es, gerade zu Beginn des Jahrtausends, als die Satanismus-Debatte hierzulande besonders „in“ war,  auch in Deutschland zahlreiche Meldungen zu dem Thema, bis es vor einiger Zeit dann wieder abflaute und der Zensurdebatte zur Kinderpornographie im Internet wich. Wieviele der hier aussagenden Opfer wirklich glaubhaft sind, wird weiterhin in Frage gestellt und gerade in Deutschland scheint mir der starke Fokus auf den „Ritus“ und den „Satanismus“ als Sekten-Kult viel zu eindimensional, so dass ich die Bedenken der Kritiker durchaus nachvollziehen kann. Fakt bleibt aber vor allen Dingen, dass, aus welchen Gründen auch immer, solche Sachen eben stattfinden. Das belegen Fälle von Kampusch bis Dutroux.

Noch viel wichtiger aber ist in meinen Augen die Tatsache, dass bei einer möglichen Aufdeckung der Hintermänner Protektion im großen Stil getrieben wird. Und das wirft auf dieses Spezialfeld ein ganz anderes Licht, das noch weit über die Besorgnis zweifellos schlimmer Sekten oder psychopatischer Familienriten hinausgehen muss.

Quelle Foto: Wikimedia

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