Film-Review: Herr der Ringe

Nun war es also bei mir soweit: Herr der Ringe wollte im Kino angeschaut
werden. Auf Grund des zu erwarteten Ansturms habe ich mir die Karten
sicherheitshalber vorreserviert, doch im Kino selbst nahm nur eine
handvoll Leute Platz, so dass es wohl nur zu 1/4 gefüllt war. Recht
überraschend eigentlich. Enttäuschend etwas die Größe des Cinemaxx
Kinos. Auch sound- und bequemlichkeitsmässig eher zweitklassig. Da dies
mein erster Besuch in einem Cinemaxx-Kino war, muss ich mich schon
wundern, wieso diese Kinoketten Marktführer in Deutschland sein soll.
Nun aber zum Film selbst – die meisten Daten über das 600 Mio. teure
Mamutprojekt vom neuseeländischen Regisseur Peter Jackson sollten ja
bekannt sein, daher gehe ich darauf mal nicht näher ein.

Tja, wie soll ich ihn nun bewerten. Vorweg muss ich gleich sagen, dass
ich das Buch nicht gelesen habe. Trotzdem kann man dem Verlauf gut
folgen und die wichtigsten Facts werden gleich am Anfang in einem
gänsehautsstimmungsmässigen Prolog erklärt, die sehr zur Atmosphäre des
Films beiträgt. Zum Inhalt möchte ich hier nun nicht allzuviel verraten.
Die Film-Technik selbst im Film ist aber herausragend; kein Zweifel,
Peter Jackson hat technisch fleissig dazugelernt. Zuerst hatte ich
Befürchtungen, man könnte mit der Fülle an Charakteren erst mal
überfordert sein und es würde eine Zeit dauern, bis man sich an sie
gewöhnte. Doch die (wirklich exzellente) schauspielerische Leistung,
besonders von Elijah Woods, lässt einem schnell alle Charaktere ins Herz
schliessen. Auch die Aufnahmen sind ein einziger Traum und die
Detailfülle ist so enorm, dass man schier überwältigt ist.

Und da wären wir auch schon beim Problem – auch wenn man sich nun Gott
sei Dank entschieden hat, den Film als Trilogie (und nicht wie erst
geplant als 2-Teiler) zu veröffentlichen, merkt man doch deutlich, dass
die Story zu weitläufig, zu episodenhaft für einen abendfüllenden Film
ist. Das ist das eine von zwei Problemen, die der Film hat. Ein Freund,
der das Buch gelesen hat, meinte im Kino, er fände alles sehr knapp
hintereinander zusammengestückelt. Erst hatte ich nicht den Eindruck,
als würde etwas fehlen, denn verstehen kann man eigentlich alles auch
recht gut, ohne das Buch gelesen zu haben. Doch gerade im zweiten
Abschnitt des Films stört das Tempo doch ungemein. Die Eindrücke, die
dieser gewaltige Marsch durch Mittelerde einem doch geben sollte, werden
im Film kaum eingefangen. Ich hätte mir einfach ein paar
Verschnaufszenen zwischen den einzelnen Abschnitten gewünscht, in denen
die Charaktere noch etwas ausgearbeitet werden oder -noch besser- die
Landschaft mit ihren gewaltigen Ausmassen demonstriert wird. Zumindest
eine Art Landkarte mit der beschriebenen Reiserute a la Indiana Jones
wäre hier sinnvoll gewesen – vielleicht mit ein paar Schnittaufnahmen im
Hintergrund eingeblendet. So hat man das Gefühl, das Ganze wäre nur
innerhalb von vielleicht 2 Tagen passiert.
Dafür kann der Film reichlich wenig, schliesslich dauert er ohnehin
schon 178 Minuten. Wenns nach mir ginge, hätte man den Film durchaus
noch eine halbe Stunde länger laufen lassen können. Genug Filmmaterial
ist ohne Zweifel vorhanden gewesen (bei gut 56200 Minuten Rohmaterial)
und man merkt ganz deutlich, dass alle Szenen, insbesondere die
hervorragenden Flugaufnahmen auf das Äusserste gekürzt worden sind.
Oftmals wird ein Kameraschwenk nur kurz angeschnitten. Besonders nach
den Minen war mir das Tempo etwas zu schnell. Und somit wird das
epochale, was das Buch zweifelsohne aufweist, im Film nicht eingefangen
– kann nicht eingefangen werden, keine Frage – dafür hätte man schon
einen 10-Teiler drehen müssen. Ich finde es nur schade, dass bei der
Detailfülle, die Jackson und sein Team liebevoll in das Projekt gesteckt
haben, nur ein minimaler Prozentsatz (man spricht von 1% des kompletten
Rohschnitts) es letzlich in den Film geschafft haben. Und wenn man genau
aufpasst, sieht man dem Film das an. Ich hab mir kurz nach dem Film im
Fernsehen noch mal Scoresese’s Meisterwerk KUNDUN angeguckt – und da ist
mir die Wichtigkeit des Tempos entscheidend aufgefallen. Da liegen
zwischen diesem Film und dem Ring doch noch Welten. Aber wie erwähnt:
Man KANN Jackson keinen Vorwurf machen. Besonders in Braindead und
Heavenly Creatures (weniger in Frighteners) hat er ja bereits bewiesen,
wie gut er mit Tempo umgehen kann – hier war es nicht anders möglich,
auch wenn zweifelsohne genug Filmmaterial dagewesen wäre.

Das ist das eine Problem. Das andere ist für mich – und dafür mögen mich
die Tolkien-Fans verschonen – die Story. Sie ist bombastisch, epochal,
keine Frage. Nur leider war eben alles schon mal da. Wenn auch von
Tolkien geklaut haben wir doch das alles – sei es nun Star Wars, Indiana
Jones, Die Mumie oder meinetwegen Harry Potter – schon irgendwo mal
gesehen und gehört. Es ist nicht wirklich ein Kinoerlebnis, dass einen
prägt. Es ist gute Unterhaltung jenseits Hollywoods, aber eben kein
wirklich „magisches“ Kino wie es bei mir z.B. in „Amelie“ rüberkam. Auch
dafür kann der Film und noch weniger Tolkien etwas. Schließlich ist er
der Urahn all dieser Werke – es waren halt einfach schon welche früher
da (wenn auch meist bedeutend schlechter) – das ist schade, aber es ist
leider so.

Trotzdem hebt sich der Film doch schon sehr stark von seinen
Hollywoodkonkurrenten ab, was auch an Jacksons filmweise liegt. Die
Kamera ist jacksonmässig immer recht gut inszeniert, die Schauspieler
wie immer hervorragend ausgewählt (Gandalf und Frodo sind ein Traum),
auch der so oft beschimpfte Score passt sich -meiner Meinung nach sogar
sehr gut- ins Geschehen ein. Die schauspielerischen Lesitungen sind
durchgehend hervorragend, aber da war von Jackson auch nichts anderes zu
erwarten. Die Gespräche sind durchgehend interessant und wirken bei
weitem nicht so plump wie in Star Wars, wenn auch die Witze manchmal
etwas hohl wirken. Erstaunlich pathetisch ist die Trauersequenz um
Gandalf, die fast schon an das dramtische Finish von Jacksons „Heavenly
Creatures“ rankommt, wenn auch im Herr der Ringe bei weitem weniger
künstlerisch.

Die Landschaftsaufnahmen sind ein Traum und werden dadurch noch schöner,
wenn man weiß, dass nur ein geringer Prozentsatz aus dem Rechner kommt.
Viele Bauten sind echt, und das merkt man auch – kein lästigen
Rechnerbilder mehr wie in Star Wars Episode 1, sondern traumhaft schöne
Bilder aus Neuseeland mit seiner unbeschreiblichen Vielfalt. Allein
schon wegen dieser Aufnahmen lohnt sich der Film. Viele Sachen wirken
tatsächlich wie aus Fantasybildern abgemalt – wenn man sie nur etwas
länger betrachten könnte und die Schnitte nicht so kurz wären. Auch
merkt man, dass die Kampfsequenzen nicht AUSSCHLIESSLICH, wie in Star
Wars, aus dem Rechner kommen, sondern brav mit mehreren zehntausend
Statisten abgefilmt wurden (auch wenn diese Szenen wiederum nur
Sekundenbruchteile dauern).

Eher schlecht fand ich die digitalen Effekte von Jacksons Firma Weta
Digital. Jackson hat bewusst die Angebote von Lucas‘ ILM ausgeschlagen
und man merkt das auch. Die Qualität, insbesondere die Bewegungsabläufe
beim Höhlentroll in der Mine sind etwas ungenau. Besonders dann, wenn
die Hobbits auf den Troll springen, kann man mit etwas Aufmerksamkeit im
Schnitt gut feststellen, dass die Szene aus dem Rechner kommt, weil die
Hobbits selbst scheinbar mitanimiert und nicht, wie sonst üblich, mit
den realen Schauspielern und einer Attrape zuerst abgedreht wurden. ILM
hat hier z.B. in Starship Troopers bei einer fast ähnlichen Szene mit
Rico auf einem Bug deutlich Realistischeres, Einfügsameres und
Hochwertigeres geleistet. Somit fällt Weta Digitals im harten
Konkurrenzkampf der Digitaleffektschmieden bei mir noch unten durch.
Auch der Festung Saurons, die man nur kurz sieht, merkt man das
Computerspielhafte deutlich an. Ziemlich gut dagegen fand ich den Turm
Saromans, insbesondere die Flugsequenzen sind recht ordentlich und
erstaunlich detailliert. Dort wirken auch die eingefügten Menschen
realistischer als beim Troll, lediglich die Übergang zurück in die
Realszenen z.B. mit Gandalf oder Saroman (besonders nach einer
Flugsequenz) wirken manchmal etwas holprig, fügen sich aber insgesamt
noch „gut“ ein.

Alles in allem ein rund um empfehlenswerter Film, aber für mich
definitiv nicht der Film des Jahres. Dafür krankt der Film an den
erwähnten zwei Problemen, insbesondere an der Sache mit dem unangenehmen
Tempo. Trotzdem: Auch wenn ich das Buch nicht gelesen und nur
Ausschnitte kenne glaube ich, dass man es nicht hätte besser verfilmen
können. Die Gänsehautstimmung lag bei mir definitiv höher als bei den
meisten Filmen dieser Gattung. Nein, der beste Film des Jahres kann er
für mich da nicht sein (das bleibt dann wohl doch „Amelie“), aber mit
Sicherheit eine ganz dicke Empfehlung für alle Monumentalfilm-Fans, für
Fantasyfreunde sowieso und für Neuseelandbegeisterte (wie mich) ohnehin
ein must-see. Definitv besser, das kann ich mit Sicherheit sagen, als
Direktkonkurrent Star Wars – keine Frage.

Trotzdem wünsche ich dem Film den allergrössten Erfolg. Es ist
erstaunlich, dass ein filmmässig so belächeltes Land wie Neuseeland
(sowie dem Partner Australien (Corcodile Dundee, Einstein Junior)) ein
so großer Coup ausserhalb Hollywoods gelungen ist. Bin schon mal
gespannt, was Jackson als nächstes (nach der Trilogie) vorhat…

Von mir gibt’s eine Note knapp jenseits der Bestnote. Sozusagen eine 1
ohne Stern. 🙂

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